Meinungsfreiheit ≠ Applausfreiheit

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Meinungsfreiheit ≠ Applausfreiheit

6. September 2025 Über mich 0

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um hier etwas zu erklären, was allzu oft sehr falsch verstanden wird: Meinungsfreiheit bedeutet nicht Jubelgebot.

Ja ja, keine Panik, ich mach’s auch pointiert, keine Sorge. Ich würde bei dem Thema ohnehin einschlafen und aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass mindestens ein Student bei der Vorlesung sehr laut geschnarcht hat. Aber eines nach dem anderen: Was darf Meinungsfreiheit, was nicht.

Zunächst einmal: Ich kann hier in Deutschland meine Meinung, sofern ich damit nicht die Rechte eines anderen verletze, durchaus verkünden. Wir haben diese Rechteabwägung, weil Freiheiten da aufhören, wo die Freiheit des anderen (bzw. die Nase meines Gegenübers, für die Boxer unter uns) beginnt – kennen wir alle. Es kann Versuche geben, von Privatpersonen oder vom Staat, hier zu klagen, aber wir haben dafür Abwehrrechte. Kostet, aber das ist nun einmal so in einem Rechtsstaat. Bislang einfach, oder?

Was – und hier scheitert es wirklich kognitiv bei vielen Menschen und dafür nehme ich mir jetzt einfach mal die Zeit – wirklich etwas völlig anderes ist, ist der Wunsch, seine Meinung zu äußern und nur Zustimmung, aber keine Kritik und schon gar nicht im Kollektiv zu erhalten. Man möchte also Zustimmung, keine Gegenfront.

Das ist etwas völlig anderes.

Doch, wirklich, das ist etwas anderes. Ist schwierig, gebe ich wirklich zu, denn die Grenzen sind nicht immer eindeutig, aber es gibt da gute Möglichkeiten, sich das zu verdeutlichen. Ich versuche das mal auf „Programmierisch“ für die Nerds dort draußen, ok? Ist nicht einfach, aber ich nehme euch an die Hand:

Meinungsfreiheit, das ist print() oder log(): Kannst du in den Äther pusten, alles gut. Kennen wir, die älteren Entwickler kennen das als Debug-Tool #1!

Kritik ist jetzt wenn ein anderer Dev daherkommt, das sieht und sagt: „Wieso gibst du aus, dass die Variable den Wert „1“ hast?! Das braucht man nicht“ und andere wiederum sagen: „Doch. Brauch ich“. Daraufhin wird eine übergeordnete Stelle angerufen, die guckt sich das an und entscheidet zwischen Aussage A und B, aber aufgrund der Richtlinien im derzeitigen Projektstand wird am Ende gesagt:

„Geht, ist in Ordnung. Die Ausgabe bleibt“.

Findet der Kritik-Dev nicht gut, aber hey, that’s programmer’s life. Ich habe Ausgaben gesehen, die waren wirklich unterhaltsam: Öffnet ruhig mal die Dev-Konsole im Browser wenn ihr surft, ihr würdet euch wundern!

So, jetzt zum heiklen Punkt: Zensur.

Zensur ist, wenn derselbe Kritik-Dev, nenne ihn jetzt KD!, einen Prozess schreibt, der die Ausgabe „1“ pauschal löscht und man keine Handhabe hat, dagegen anzugehen. Der Entwickler kann nicht weiter hochgehen, es wird gesagt: „Nö, ich entsheidet, dass das nicht ok ist“: Nicht die höchste Stelle, keine festgelegten Regeln, einfach aufgrund der Kraft der Wassersuppe des Entwicklers. Der andere kann nichts machen, kann nichts einklage, kann nichts ansprechen. Es gibt keine Auseinandersetzung, kein Richter, nix: Der KD sagt: „Nö, das nicht“, fertig.

Logisch, ja? Gut, jetzt wird’s so richtig tricky, aber keine Angst, Fortu got you covered!

Der selbe Entwickler hat jetzt keinen so guten Tag, ist genervt von den Bug-Meldungen, ständiger Druck, hat in Battlefield 6 einfach zu oft daneben geballert und in „The Finals“ die Reaktionszeiten einer komatösen Holzkatze. Ja, kommt vor, doof. Aber dieser Entwickler entscheidet, seinen Frust in Code zu gießen, weshalb seine Ausgabe so aussieht: 

„Meine User sind alle dämliche Vollidioten!“

Jetzt kommt KD und sagt: „Sag mal, das geht gar nicht, wir können unsere User nicht beleidigen, das darf auch laut unserer Regeln erst recht nicht in den Code!“ und er ruft eine übergeordnete Stelle an. Die guckt sich das an und entscheidet: „Nö, machen wir nicht!“. Common Sense, würde man meinen.

Was jetzt bei vielen – pardon für die Polemik – Schneeflocken da draußen geschieht, ist, dass deren Quecksilberschalte, die ohnehin von Angst geprägt zu sein scheint (ein Zustand, der oft in PTBS mündet und einer Behandlung und nicht einer Parteigründung bedarf), automatisch davon ausgeht, dass sie zensiert werden.  Sie glauben, man will sie unterdrücken, weil es ihnen in dem Moment schnurzpiepegal zu sein scheint, dass die Anwender potentiell in ihrem Recht, nicht beleidigt zu werden, eingeschränkt werden. Es geht um den Entwickler und den Entwickler allein, was kümmern hier die Rechte der anderen (das ist ein kritischer Punkt, auf den ich noch zu sprechen, bzw. schreiben komme).

Richtig ironisch wird es aber, wenn man beobachten kann, wie die, die am lautesten „Zensur“ rufen, dann selbst einen Fork – also eine eigene Version auf Basis der Auskopplung – bauen, um dann nicht selten so entscheiden, dass jede Nicht-Beleidigung der User per se verboten gehört. Oder, auch oft erlebt, wenn der Entwickler seinen neuen Duktus selbst zu spüren bekommt, nicht selten eiskalt zensiert. Immer wieder lustig, aber traurige Realität.

So, um jetzt den Bogen zurück in die Realität zu spannen: Natürlich darf man seine Meinung äußern und natürlich gibt es darauf ein Echo. Das ist normal, in einer Gesellschaft, in einer Demokratie, ist Streit das Mittel der Wahl um einen Konsens zu finden. Doch, ehrlich, schlagt eine Zeitung von früher auf: Selbst unser Grundgesetz war ein echt heißes Streit-Eisen, da wurde selbst über die Präambel („Die Würde des Menschen…“) richtig heiß gestritten, man glaubt es gar nicht. Das war der Hammer, das war richtig spannend – und auch nicht anders als heute. Wir haben nur mehr Transparenz, damit mehr Streit untereinander. Für die Politiker ist das allerdings Alltag. Hey, Politik verkörpert unsere Interessen und die Leute kämpfen für uns. Also, lebt damit.

Mit Freiheiten ist es so: Ich werde irgendwann auf eine Grenze stoßen, die, falls ich sie überschreite, von jemand anderem eingeklagt werden kann. Das ist normal, das ist völlig logisch und kennen wir aus anderen Bereichen: Ich kann nicht mit 200 durch die Innenstadt düsen, ich kann nicht mein Haus in Brand setzen wenn ich es nicht mehr mag und ich kann nicht im Nachbargarten grillen, weil er mehr Platz hat – ohne zumindest mir vorher seine Erlaubnis zu holen. Wieso diese Einschränkungen bei der Meinungsfreiheit nicht akzeptiert werden, das kann ich mir nur dadurch erklären, dass hier einfach die Nerven blank liegen – was durchaus verständlich, aber keine Entschuldigung dafür ist, den immer selben Quatsch zu erzählen.

Also: Ihr könnt sauer sein, ihr könnt wütend sein, ihr könnt meinetwegen auch etwas Böses posten – alles kein Problem. Was ihr aber auch akzeptieren müsst sind die juristischen Grenzen, innerhalb derer ihr euch bewegt, weil das einen Rechtsstaat ausmacht. In dem Moment, in dem ihr das nicht anerkennen wollt, offenbart ihr euren Kritikern eine Flanke des Vorwurfs, dass ihr nicht auf dem Boden der deutschen demokratischen Grundordnung agieren wollt. Wenn ihr dem Objekt eurer Kritik alle Rechte absprecht, dann seid ihr nicht besser, als das, was ihr kritisiert, seid damit automatisch Teil des Problems – ein wenig so, als würde man sein Schiff versenken weil man Angst hat, dass man von Piraten ausgeraubt wird: Ergibt jetzt keinen Sinn, oder?

Werte kann man nicht verordnen, man muss sie leben – gemeinsam, dann entwickeln sie Strahlkraft und werden Realität. Und „gemeinsam“ heißt, miteinander zu streiten. Das ist nervig, anstrengend, aber wir kommen nur gemeinsam durch dieses Nadelöhr. Also halten wir uns an die Spielregeln, statt unsere Nerven gegenseitig so lange offen zu legen, wo das bloße Einatmen zu einem Aufschrei der Empörien führt und vor lauter Zensurvorwürfen die Kernmessage flöten geht. Ich rede auch, mit Rechten und Linken. Vernünftig, ich höre es mir an. Sie müssen verstehen, dass ich euch meine Grenzen habe und ziehe. Oftmals trifft man sich irgendwo in der Mitte, aber es geht. Faust auf Faust bringt es nicht, respektiert die Spielregeln und wenn ihr nicht miteinander reden wollt: fein, aber respektiert bitte die Grenzen des jeweils anderen. 

Und Grenzen wollen wir doch respektieren, oder? Wäre ironisch, wenn nicht…

Danke für die Aufmerksamkeit.

 

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